Beziehungen leben
Zwischenmenschliche Beziehungen gehören zu den wichtigsten Komponenten von psychischer Gesundheit und Zufriedenheit. Die Fähigkeit, diese einzugehen und aufrechtzuerhalten, gilt als eine zentrale Kompetenz im Rahmen psychischer Gesundheit.
Die Stadt bietet aufgrund der hohen Anzahl an Städtebewohner*innen vielfältige Möglichkeiten, um zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und zu genießen. Ein ausgewogenes soziales Netz hat sich in zahlreichen Studien als protektiver Faktor gegenüber psychischen und körperlichen Störungen erwiesen. Es wird angenommen, dass die Gegenspieler von sozialer Eingebundenheit – die soziale Einsamkeit bzw. die soziale Isolation – bedeutsame Komponenten des pathogenen sozialen Stadtstresses sind.
Soziale Einsamkeit ist zunächst das subjektive, belastende Gefühl (‚Seelenschmerz’) im Leben allein zu sein (fehlendes Zugehörigkeitsgefühl). Es wird objektiviert durch die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem persönlich erwünschten Grad sozialer Eingebundenheit. Diese variiert von Mensch zu Mensch. Sie kann zudem als biologisches Mangelsignal verstanden werden, welches den Betroffenen alarmieren bzw. auffordern soll, etwas zu unternehmen, das sein Überleben sichert.
Die soziale Isolation hingegen ist ein objektivierbarer Mangel an Freund*innen und Vertrauten, welche durch ein Fehlen von Kommunikation und Teilhabe am sozialen Leben gekennzeichnet ist. Der soziale Ausschluss aufgrund sozialen oder psychologischen Andersseins gilt als besonders folgenreiche und intensive Variante der sozialen Isolation.
Viele Studien und Metaanalysen konnten eindrucksvoll zeigen, dass beide Phänomene mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Gesundheit und einer erhöhten Sterblichkeit verbunden sind (z.B. Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Immunschwäche, Schlafstörungen, Rauchen).
Soziale Isolation ist einer der stärksten negativen Gesundheitsprädiktoren und beeinflusst die Prognose fast jeder körperlichen oder psychischen Erkrankung. Das Risiko für soziale Isolation ist grundsätzlich für Bewohner*innen von Städten höher als für Bewohner*innen ländlicher Räume. In der Stadt leben überdurchschnittlich viele Menschen, die ein erhöhtes soziales Isolationsrisiko tragen. Hierzu gehören etwa Alleinlebende, deren Anteil in Großstädten höher als in ländlichen Gemeinden oder kleinen Städten ist.
Zu den Risikopopulationen gehören auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie haben ein erhöhtes Risiko für sozialen Ausschluss, eine besonders belastende und folgenreiche Variante von sozialer Isolation. Es ist bekannt, dass Menschen mit Migrationshintergrund ein höheres Risiko für Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und psychotische Erkrankungen haben. Eine Reihe von Studien konnte zeigen, dass bei Migrant*innen das Gefühl der Nichtzugehörigkeit und der Fremdheit ein chronischer Stresseinfluss ist, der das Risiko für psychische Belastung und Erkrankung erhöht.
Neben dringend notwendigen stadtplanerischen und gesellschaftlichen Antworten, sollten Risikopopulationen durch die Vermittlung von urbaner Kompetenz Unterstützung erhalten. Diese sogenannten „Großstadt-Skills“ beinhalten inter- und intrapersonelle Fertigkeiten, welche helfen, Isolation und Einsamkeit vorzubeugen und ein Kontrollempfinden über die Lebensumwelt zu erhalten. Solche „Skills“ sind zum Beispiel das Wissen um Verweilzonen und deren gezieltes Aussuchen oder coping skills in Stresssituationen.