Öffentlichkeit begegnen
Öffentliche Räume sind ein Teil der öffentlichen Sphäre. Sie sind die Orte, an denen Gemeinsamkeiten und Gegensätze generiert werden. Hier erleben wir Gemeinschaft und fühlen uns als Teil einer Gesellschaft, ob aktiv oder als anonym Beobachtende. Öffentliche Räume sind die Orte, an denen wir gemeinsam feiern, an denen wir unsere Ideen und Meinungen austauschen, wo wir Geschäfte machen, an denen wir alte Bekannte treffen und bisher Fremde kennenlernen. Dies beinhaltet sowohl den physischen Raum einer Stadt als auch die mediale Sphäre.
Der öffentliche Raum ist eine Ansammlung verschiedener „Affordanzen“, im Sinne von Aufforderungen. Der Begriff „affordance“ wurde in den 70er Jahren von dem Psychologen J.J. Gibson geprägt und beschreibt zunächst eine Beziehung zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt. Übertragen auf urbane Situationen können diese Aufforderungen als ein Gemenge von Angeboten und Handlungsanregungen interpretiert werden, die zu einer Beziehung zwischen den Einzelnen und ihrer Umgebung führen. Je nachdem wie sich diese präsentieren und gestaltet sind, fühlt sich der Mensch mit seinen jeweiligen individuellen Voraussetzungen und Wünschen adressiert und angesprochen. Im Zentrum steht der physische Stadtraum. Diesen kann man unmittelbar körperlich nutzen, um alltägliche Belange zu regeln und um soziale Bindungen zu erleben. Auch stellt er ein vielschichtiges Nebeneinander zu dem dar, was man begehrt, sein will und erleben möchte. Dieses Zusammenspiel generiert Ausschluss und Einschluss, Teilnahme und Verweigerung.
Der öffentliche Raum fächert sich in unterschiedliche Komplexitätsebenen auf: So lädt ein Stuhl allein lediglich zum Sitzen ein, ein Tisch mit mehreren Stühlen hingegen zur Interaktion. Diesem Prinzip folgend bietet ein städtischer Platz Raum für Begegnungen und zum Verweilen an, für Bewegung und Reibung und zu ökonomischem und sozialem Austausch. Die Gestaltung und Beschaffenheit der physischen Umgebung bestimmen dabei ihren jeweiligen Aufforderungscharakter.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich verschiedene Herausforderungen im Hinblick auf die differenzierte Ausgestaltung urbaner Öffentlichkeit. So sollten unterschiedliche Strukturen nebeneinander existieren, um sich gegenseitig zu bereichern und ein komplexes Beziehungsgefüge zu ergeben. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass ein Zuviel zu vermeiden ist, damit dies nicht wieder in seine Einzelaspekte zerfällt. Die öffentliche Sphäre einer Stadt und ihre Anonymität sollten die Möglichkeiten anbieten, anderen zu begegnen, wie auch sich selbst zu entdecken und auszuprobieren.
Zu untersuchen wäre, wo sich der schmale Grat zwischen Monotonie und Ausschluss auf der einen Seite und Überdruss und Überforderung auf der anderen Seite befindet. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang zu klären, ob es dem Potential eines Ortes zuträglicher ist, wenn sich bestimmte Angebote an alle richten, oder ob nicht vielmehr aus dem Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren, die sich auf jeweils einzelne Untergruppen beziehen, eine Komplexität entsteht, die einen Ort als urbanen öffentlichen Raum gelingen lässt.