Stadträume, die Vielfalt ermöglichen und erlebbar machen, verhelfen zur Aneignung von sozialen Fähigkeiten („social skills“), die eine bedeutende Voraussetzung für Sozialisierungsprozesse und psychische Gesundheit sind.
Durch das Praktizieren von städtischer Vielfalt werden die Grundlagen für einen produktiven Umgang mit gesellschaftlichen Unterschieden aber auch mit Konflikten geschaffen.

Die Forderung nach Vielfalt lässt sich nicht nur auf die Ausbildung von heterogenen städtischen Räumen übertragen, sondern ist auch ein Grundrecht, das durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in der Deutschen Verfassung verankert ist. Demnach hat “jeder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit soweit er nicht die Rechte anderer verletzt” (Art. 2, Abs. 1). Im Gleichbehandlungsgesetz wird festgeschrieben, dass niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt oder ausgeschlossen werden soll.

Diversität in der städtischen Öffentlichkeit muss in diesem Sinne sowohl aus der Sicht der Gestaltung als auch der sozialen Beschaffenheit städtischer Räume betrachtet werden. Eine vielfältige Stadtgestalt hat sicherlich auch Auswirkungen auf die Ausbildung sozialer Vielfalt. Die Umsetzung einer „offenen Stadt”, die soziale Heterogenität nicht nur ermöglicht, sondern auch fördert, hängt jedoch von vielen weiteren Faktoren ab. Soziales Verhalten, die Zugehörigkeit zu einem spezifischen Milieu, kulturelle Praktiken und Einkommensverhältnisse bzw. Klassenzugehörigkeit beeinflussen wesentlich in welcher Form Diversität praktiziert wird.

Dabei gilt es die Frage zu beantworten, wie Vielfalt gelebt werden kann und welche stadtplanerischen und sozialpsychologischen Erkenntnisse hilfreich sind. Bereits in den 1950er Jahren postulierte der amerikanische Psychologe G.W. Allports die sogenannte Kontakthypothese. Sie besagt, dass Kontakt Vorurteile abbauen kann (Allport, 1954). Allport schlug für seine Hypothesen vier Schlüsselfaktoren vor, die einen gruppenübergreifenden Kontakt ermöglichten: Einen gleichen Status in der Situation, gemeinsame Ziele, Zusammenarbeit und Unterstützung durch eine Behörde (ebd.). Diese sozialpsychologischen Faktoren können Orientierungspunkte für Stadtentwicklung und –planung sein.

Eine vielfältige Stadtgestalt hat, neben zahlreichen weiteren Faktoren, Auswirkungen auf die Ausbildung sozialer Vielfalt, die Umsetzung einer “offenen Stadt“ und nicht zuletzt auf die sozialen Fähigkeiten ihrer Bewohner*innen.

Während die Vielfalt urbaner Lebensformen und sozialer Milieus als Grundvoraussetzung einer lebendigen Stadtwirklichkeit angesehen wird, zeigt sich in der aktuellen Entwicklung der Städte jedoch eine deutliche Tendenz zur Homogenisierung von Quartieren und Nachbarschaften. Gentrifizierung und Segregation — d.h. die Verdrängung von spezifischen Bevölkerungsgruppen — führen nicht nur zu einer ungleichen Verteilung von städtischen Ressourcen. Durch die Fragmentierung in homogene Stadtquartiere wird auch die Stadt als offenes System in ihrer Dynamik beeinträchtigt. Die potenziell polarisierenden Auswirkungen ethnischer Vielfalt für den sozialen Zusammenhalt wurden in den letzten Jahrzehnten intensiv diskutiert (Putnam, 2000, 2007). Einerseits zeigen Studien, dass ein hohes Maß an Heterogenität negativ mit Vertrauen korreliert (Stolle et al., 2008). Zugleich konnte gezeigt werden, dass über sozialen Kontakt sowohl in verschiedenen Situationen als auch in verschiedenen Gruppen Vertrauen geschaffen bzw. Misstrauen reduziert werden kann (Pettigrew und Tropp, 2006; Stolle et al., 2006). Paolini et al. machen dafür die über den sozialen Kontakt vermittelte Angstminderung verantwortlich (Paolini et al., 2004). Sozialpsychologische Untersuchungen zu Kontakt und Gruppenbeziehungen gehen davon aus, dass der Zusammenhang zwischen Kontakten innerhalb verschiedener Gemeinschaften die Entwicklung einer übergreifenden Identität fördern kann (Pettigrew und Tropp, 2008). Somit bildet die Stadt auch eine Reibungsfläche, die es unterschiedlichen Gruppen erlaubt sich zu artikulieren. Es sind dabei auch die Widersprüche und Asymmetrien die eine funktionierende städtische Vielfalt so resilient machen.

Vielfalt ist daher kein harmonischer Zustand, der sich auf natürliche Weise einstellt, sondern eine Forderung, für dessen Umsetzung auch aktiver Einsatz gefordert ist. Die Umsetzung von Diversität in städtischen Räumen kann als Grundvoraussetzung für eine offene Zivilgesellschaft betrachtet werden.

Der Mangel an kultureller und sozialer Diversität kann wiederum ein Defizit an sozialen Fähigkeiten mit sich bringen, was in der Folge soziale Isolation und soziale Konflikte in der Stadt befördert.

Quellen
1. Allport, G.W., 1954. The nature of prejudic. Addison-Wesley, Cambridge, MA.
2. Paolini, S., Hewstone, M., Cairns, E., Voci, A., 2004. Effects of direct and indirect cross-group friendships on judgments of Catholics and Protestants in Northern Ireland: The mediating role of an anxiety-reduction mechanism. Personality and Social Psychology Bulletin 30, 770-786.
3. Pettigrew, T.F., Tropp, L.R., 2006. A meta-analytic test of intergroup contact theory. Journal of Personality and Social Psychology, 90, 751-783.
4. Pettigrew, T.F., Tropp, L.R., 2008. How does intergroup contact reduce prejudice? Meta-analytic tests of three mediators. European Journal of Social Psychology 38, 922-934.
5. Putnam, R.D., 2007. E Pluribus Unum: Diversity and community in the Twenty-first century. The 2006 Johan Skytte Prize Lecture. Scandinavian Political Studies 30, 137-174.